Hemslöjd
Dieses Wort sieht geschrieben immer aus als hätte jemand mit viel Fantasie versucht ein „schwedisches Wort“ zu erfinden. Vielleicht geht das auch nur mir so, weil ich jemanden kenne der auch im Kontakt mit Schweden wahllos erfundene Wörter brabbelt um nicht als Deutscher aufzufallen 😉
Hemslöjd jedenfalls ist heute unser Skandisamstagsthema, denn dieses Wort gibt es tatsächlich. Laut Google übersetzt man Hemslöjd mit Kunsthandwerk, aber gefühlt ist der deutsche Begriff enger gefasst als der schwedische, der ist eher so wie crafting auf englisch.
Als ich in Schweden zur Schule gegangen bin, war Slöjd eins der Wahlangebote, in den unteren Klassen ist es sogar ein Pflichtfach. Mit 16 war ich jedenfalls vollkommen geschockt dass mich jemand quasi für’s Origami falten benoten wollte und habe dankend abgelehnt… mir lag damals die Vektorrechnung einfach näher. Im Nachhinein find ich es ein wenig schade. Vielleicht hätte ich früher mein Talent an den Nadeln entdeckt.
Nach dem Schulunterricht ist im schwedischen Leben nicht notwendigerweise Schluss mit Slöjd. Man kann Mitglied in einer Slöjdförening werden (so etwas wie ein Verein), und sogar in der Erwachsenenbildung an VHS und Abendschule kann man sich in Slöjdfächern weiterbilden – teilweise sogar in Vollzeit! Dabei wird zwischen festen und weichen Werkstoffen unterschieden – also Holz, Metall, Textil und so weiter. Könnt ihr euch das vorstellen? Man kann quasi stricken studieren!
Wem das ein wenig zu viel des Guten ist, der kann sich aber das Magazin Hemslöjd abonnieren. Darin werden alle zwei Monate alle möglichen Themen zu verschiedenen Kunsthandwerken behandelt – und zwar so spannend geschrieben, dass ich sogar Artikel über Holzschichten fürs Lagerfeuer mit Interesse lese. (Ob so etwas in Deutschland auch als Kunsthandwerk gilt?)
Es geht aber auch viel um textile Handwerke, stricken, häkeln, spinnen etc. Thematisch greift die Zeitschrift hier weiter als man von den meisten DIY Magazinen gewohnt ist. In einem Artikel ging es zum Beispiel darum, dass schwedische Schäfer ihre Wolle heutzutage größtenteils kostenpflichtig entsorgen, da es kaum einen Markt dafür gibt. Es werden mehrere Fälle vorgestellt, in denen kleinere Initiativen angefangen haben die Wolle zu verarbeiten und Märkte zu schaffen. Auch einen Bezug zum aktuellen Flüchtlingsthema gab es schon: In einem Bericht wurden Frauen vorgestellt, die angefangen haben mit Bewohnern von Asylunterkünften zu stricken. Siehe da: Viele der Flüchtlingsfrauen haben schon zuhause in Syrien und anderen eher warmen Ländern gestrickt – das erwartet man gar nicht, oder? Cool (für Locals) ist auch die Übersicht zu Ausstellungen und Märkten zum Thema Slöjd.
Weil man aber nicht alle Handwerke selber beherrschen kann, gibt es kreuz und quer übers Land verteilt Geschäfte, in denen man von anderen Menschen handgefertigten Produkte kaufen kann. Dieser Laden hat sogar einen Webshop, der auch nach Deutschland verschickt. Man bekommt dort auch Materialien für textile Arbeiten, zum Beispiel die ideale Wolle für Lovikka Handschuhe oder auch die z-gesponnene Wolle für tvåändsstickning.
Falls ihr auch Hemslöjd lesen/blättern möchtet: Es gibt eine App für iOS, darin kann man vergangene Ausgaben nachträglich kaufen, oder auch ein Abonnement abschließen. Das ist allerdings wohl wirklich eher was für diejenigen mit Schwedischkenntnissen (Kathi?!)