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Skandinavischer Stricksamstag #4

Hei og god dag!

In dieser Rubrik möchte ich euch Einblicke in die “Strickszene” im Norden geben, euch Bücher, Blogs und Instagrammer, Tricks und Trends aus den Gefilden meiner zweiten Heimat vorstellen.

Was mich dazu beruft? Nun, mir wurde eine doppelte Staatsbürgerschaft in die Wiege gelegt (NO / DE), ich habe in Schweden und Norwegen gelebt (spreche und lese beide Landessprachen), habe eine “Leihfamilie” in Schweden, und verbringe gerne Zeit bei ihnen und in den Wäldern um unser Ferienhaus in Skåne/SE.

Abends im Museum

Das Nordiska Museet von Außen - das Bild stammt von Wikimedia
Das Nordiska Museet von Außen – das Bild stammt von Wikimedia

Diese Woche habe ich eine tolle Sache in Schweden entdeckt:

Kennt ihr das Nordiska Museet in Stockholm?

Für mich als Architekturfan ist schon das Gebäude eine Attraktion, aber auch innerhalb des Gebäudes gibt es irre viel zu sehen. Das Nordiska beheimatet Ausstellungen über die Kulturgeschichte Schwedens, einerseits Kunst, aber andererseits Alltagsgegenstände wie Kinderspielzeug oder Schmuck von heute und gestern. Spannend ist (aus meiner Sicht zumindest) aber gerade die Sicht auf traditionelle Kleidung und Trachten, sowie die Entwicklung des textilen Kunsthandwerks.

Schweden (und der gesamte Norden) hat eine lange Geschichte in der Textilherstellung, es gibt einzigartige Techniken und Verfahrensweisen in der Herstellung und aber auch Bearbeitung von Stoffen. Da wird gewebt, gestickt, geklöppelt, genäht, und eben gestrickt. Heute profitieren wir von diesen Erfahrungen, denn zum Beispiel ausgezeichnete Haspeln oder Webwerkzeuge haben viele von uns “made in Sweden” (Ich sag nur Glimåkra).

Jedenfalls – Im Nordiska Museet gibt es diesen Frühling ein monatliches Strickcafé.

Gut, Strickcafés gibt es viele, davon auch bestimmt einige in richtig tollen Locations, aber das Nordiska hat sich einen kleinen Twist ausgedacht…zusätzlich zum gemeinschaftlichen Stricken in traumhaftem Ambiente gibt es jeden Monat einen Vortrag zu einem bestimmten Strickthema. Diesen Monat ging es um die Strickmode der direkten Nachkriegszeit, nächsten Monat um “Bohus”stricken (Bohus ist eine Region in Schweden).

Die Vorträge sind auf Schwedisch, daher sollte man als nicht Geheimsprachen-Sprecher vielleicht nicht seine Reiseplanung am Strickcafé ausrichten, aber ich bin mir sicher dass das Nordiska auch sonst genug für eure Handarbeitsherzen bereit hält. Und üblicherweise wird man in Schweden auch überall auf Englisch herzlich willkommen geheißen – bestimmt auch beim Strickcafé. Der Eintritt ist an den Abenden übrigens frei!

Wäre so eine Reihe nicht auch eine tolle Idee für Deutschland? Spontan fällt mir das Kunst und Gewerbemuseum in Hamburg als Location ein…

 

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Restefest

RestefestAls ich für den Skandinavischen Stricksamstag recherchiert habe, bin ich mal wieder am Blog von Ann hängengeblieben. Und was ich da gelesen habe möchte ich gern mit euch teilen:

Ann “feiert” dieses Jahr das Restefest 2016 (und das bedeutet auf deutsch genau das gleiche wie auf norwegisch).

Bei diesem Fest möchte ich gerne mitfeiern, und ihr vielleicht auch. Denn die Idee ist super: Bewusst Garnreste in schönen Projekten verarbeiten.

Wer von uns hat schließlich keine Mini-Mengen an bunten Garnen in allen möglichen Stärken?

Offenbar geht es auch anderen so, denn Trivelig & Surrehue machen aktuell eine ganz ähnliche Aktion. Die beiden nennen es “Lagerstrikk”, also aus dem Lager/Stash/Wollvorrat stricken.

Resteprojekt ≠ Grabbelkiste

Das tolle an unseren Resten ist ja, dass es fast nur tolle Garne sind, die da schlummern, und sie sind schon bezahlt!!! Da man die Farben ja selbst ausgesucht hat, sind sie wahrscheinlich auch alle relativ gut kombinierbar.

Ann hat in ihrem Text viele tolle Projektideen verlinkt, da könnt ihr euch mal in Ruhe durchklicken. Für Sockengarne habe ich ja im Oktober auch schon mal kleine Restgarnverbrauchsinspirationen aufgelistet. Seitdem habe ich aktiv am Resteabbau gearbeitet, das Geschenk für meinen kleinen Bruder hab ich komplett aus Resten gezaubert: Dunkelblaues Garn war noch von meinen Handschuhen übrig, das hellgraue stammt vom ersten Dimasq, und das rote Garn hatte mein Hund gnädigerweise mal “neu gewickelt”… Übrigens hat der Bruder sich bisher selten so sehr über ein Geschenk gefreut, wie über diese Reste-Socken.

Restewachstum

Andererseits hab ich auch neue Garnreste angesammelt. Zu Weihachten und danach habe ich noch drei Paar Socken verschenkt (1, 2, 3) und eins selbst behalten. Jeweils mit Rest. Außerdem ist endlich endlich endlich mein Ravello zur blauen Stunde fertig, also sind auch noch Reste blauen Merinogarns dazugekommen. Ein weiterer hellblauer Pulli aus fine Art ist auch fertig geworden, auch da mit übrig gebliebenem Garn in Sockenstärke.

Für ungefähr 2 Stunden war meine Projektmenge übrigens wirklich auf die akzeptablen 3 geschrumpft. Nur…Zurückhaltung ist echt schwierig! Also hab ich aus zwei Baumwoll Resten angefangen einen Body für das Sommerbaby meiner besten Freundin zu stricken.

Zumindest als Vorsatz möchte ich versuchen ab jetzt ein Projekt pro Monat mit Resten zu schaffen. Offensichtlich werden das wohl hauptsächlich Socken sein, aber vielleicht versuche ich mich auch an einem Fair Isle Tuch mit bunten Details? Wer weiß… Um es mir etwas einfacher zu machen habe ich mir beim schwedischen Inneneinrichter ein kleines Wägelchen mit drei Körben gekauft. Darin liegen meine Restknäule jetzt gut sichtbar direkt neben mir. Im Auge – im Sinn!

#Restefest2016 & #javielskerlagerstrikk2016

Bei Instagram gibt es den #restefest2016 Thread, beim durchschauen halte ich Ausschau nach guten Ideen für meine Restereduzierung. Unter #javielskerlagerstrikk2016 (minimal sperrig, aber was soll’s) gibt es die Beiträge zum Lagerleerstrickmarathon 😉

Fühlt ihr euch auch zur Teilnahme am Restefest eingeladen?

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Skandinavischer Stricksamstag #3

Hei og god dag!

In dieser Rubrik möchte ich euch Einblicke in die “Strickszene” im Norden geben, euch Bücher, Blogs und Instagrammer, Tricks und Trends aus den Gefilden meiner zweiten Heimat vorstellen.

Was mich dazu beruft? Nun, mir wurde eine doppelte Staatsbürgerschaft in die Wiege gelegt (NO / DE), ich habe in Schweden und Norwegen gelebt (spreche und lese beide Landessprachen), habe eine “Leihfamilie” in Schweden, und verbringe gerne Zeit bei ihnen und in den Wäldern um unser Ferienhaus in Skåne/SE.

Diese Werbung für die Welt am Sonntag habe ich vor Jahren mal abfotografiert. Rumsitzen und stricken lohnt sich für mich jedenfalls!

Heute geht es mal nicht um Inspirationen, sondern um eine Debatte die gerade in Norwegen um unser Hobby kreist:

Zeigt der aktuelle Stricktrend einen Rückschritt im Frauenbild?

An Heiligabend 2015 war im Morgenbladet ein Artikel über die Vielzahl der just erschienenen Strickbücher auf dem norwegischen Markt. Zumindest war das auf den ersten Blick das Thema, eine harmlose Besprechung quasi. Im Laufe des Textes wird allerdings klar, dass der Autor nicht die Qualität der Bücher bespricht, sondern Kritik an ihrem Zielpublikum übt (und nicht zu knapp auch an den Autoren). Für ihn sind handarbeitende Frauen ein Zeichen dafür, dass die Emanzipation doch nicht so fortgeschritten ist, wie man gemeinhin denkt.

Dem Ex-Modell, jetzt höchst erfolgreiche Strickautorin, Dorthe Skappel, unterstellt der Journalist geradezu, dass sie jungen Frauen sackartige Wollpullis entwerfe um deren junge Körper nicht mit dem eigenen alternden im direkten Vergleich sehen zu müssen.

Mir persönlich ist egal ob mein Hobby dem Feminismusverständnis eines Mannes entgegen kommt oder nicht. Gerade im Licht der deutschen Mediendebatte über die Silvestervorkommnisse in Köln finde ich aber die Diskussion in Norwegen beachtenswert.

In Köln wurde zuerst eine Empfehlung an Frauen gegeben: Zieht euch nicht zu aufreizend an. Angeblich werde ich durch nordische Strickliteratur zur feminismusverleugnenden Verhüllung meines Körpers indoktriniert. Wie wäre es hiermit:

Gerade weil ich selbstbestimmt lebe, ziehe ich mich an wie es mir passt!  

Im Moment zum Beispiel ist Winter, seit ein paar Tagen sogar richtig, und ich friere. Wenn ich jetzt einen großen, von mir aus nenne ich ihn sackartigen, Pullover anziehe, dann hat das mit Kälteabwehr zu tun. Mir hat niemand eingeflüstert dass dieser Pullover her muss, das habe ich – als erwachsener Mensch – ganz allein entschieden. Für mich ist die Logik nämlich genau andersherum… Gerade weil ich mich nicht als dem Manne unterlegenes Weibsbild sehe, muss ich mich nicht in ein knappes Teil zwängen um endlich mal männliche Bestätigung und Daseinsberechtigung zu empfinden.

Mein Hobby betreibe ich auch nicht um einem Mann das gefällige Frauchen zu sein. Oder unterstellt irgendjemand einem Mann dass er nur gern Fußball spielt weil er seiner Frau das testosterongeladene Gehabe als Teil des Paarungsrituals vorspielt?

Stricken entspannt. Das ist wissenschaftlich bewiesen. Mir macht es außerdem Spaß neue Techniken zu lernen, Sachen auszuprobieren, zu sehen wie ich etwas ganz eigenes schaffe. Hierzu sagt der Herr Schreiberling des Morgenbladet, wir würden ja nur Anleitungen befolgen, das wäre keine Kreativität sondern genauso hirnlos wie Malen nach Zahlen, eine sklavische Unterordnung wie sie nur Frauen zustande bringen…

Muss ich mir auch Sorgen um meine Selbstständigkeit machen wenn ich dem GPS folge? Oder wenn ich ein Handbuch lese um meine Kamera zu bedienen? Konventionen und Regeln auch mal zu hinterfragen – schön und gut, da bin ich gern mit dabei! Aber manchmal eben der Anleitung, Weisheit, dem Rat von jemandem zu folgen der schonmal hinterfragt und ausprobiert hat, das nenne ich den einzigen Weg zur Weiterentwicklung. Wenn ich demnächst einmal pro Minute die Nudeln probiere, weil ich keiner Packungsanleitung mehr folge, dann weist mich doch bitte ein.

Dabei fällt mir nur dieser alte Werbespot von Mercedes ein: Männer… vielleicht liegt der Fehler ja bei manchen von ihnen und ihrer Unbelehrbarkeit? 🙂

In Norwegen jedenfalls schlägt das Thema gerade Wellen, in den klassischen und neuen Medien wird heftig diskutiert. Wie sind denn eure Meinungen dazu?

 

 

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Skandinavischer Stricksamstag #2

Hei og god dag!

In dieser Rubrik möchte ich euch Einblicke in die “Strickszene” im Norden geben, euch Bücher, Blogs und Instagrammer, Tricks und Trends aus den Gefilden meiner zweiten Heimat vorstellen.

Was mich dazu beruft? Nun, mir wurde eine doppelte Staatsbürgerschaft in die Wiege gelegt (NO / DE), ich habe in Schweden und Norwegen gelebt (spreche und lese beide Landessprachen), habe eine “Leihfamilie” in Schweden, und verbringe gerne Zeit bei ihnen und in den Wäldern um unser Ferienhaus in Skåne/SE.

Die Tyske Bryggen habe ich fotografiert als ich noch in Bergen gewohnt habe

Ob nun die langen Winter mehr Zeit zum stricken lassen, die Tradition tiefer verwurzelt ist, oder ob wir einem Trend hinterhereiern, hoch im Norden gibt es stricktechnisch sooooooo viel zu entdecken! Und auf meine Entdeckungsreise nehme ich euch gerne mit.

Tiny Humans II

Wie letzte Woche angekündigt geht es diesmal wieder um skandinavisches Strick für Mini-Menschen. Ein einzelner Blogbeitrag zu diesem Thema wäre einfach zu lang geworden. Weiter geht’s:

Im Moment bin ich ja fokussiert auf die wirklich noch ganz kleinen Kinder, es soll ein Geschenk zur Geburt werden. Nach etlichen norwegischen Designs in der letzten Woche gibt es jetzt einen kleinen Ausflug nach Dänemark. Knitting for Olive ist ein Familienbetrieb aus Kopenhagen, und wie der Name andeutet: die Anleitungen sind fast ausschließlich eher für Mädchen. Im Moment schlägt mein Herz für den relativ neutralen Olive’s Jumpsuit (das Baby hält sich noch etwas bedeckt). Die Anleitungen von Knitting for Olive sind auf Dänisch, aber zumindest gucken sollte man 🙂

Auch sehr mädchenorientiert und dänisch ist das Label Little Edith’s Knit. Die Anleitung für den Little Mary’s Jumpsuit gibt es auch schon auf Englisch, wobei es mich tendenziell eher zum  Little Edith’s Romper hinzieht. Als kleine Randnotiz: Haben sich Krägelchen in Deutschland eigentlich auch schon so durchgesetzt wie im Norden? Finde ich ja irgendwie auch total niedlich.

Deutlich gender-neutraler sind die Entwürfe von Tiddelibom (übrigens auch wieder eine Norwegerin). Ein Nyfødt Romper (Neugeborenen Strampler) könnte doch wirklich Junge oder Mädchen stehen, oder? Für Tiddelibom Anleitungen müsst ihr allerdings wieder norwegische Strickvokabeln lernen.

Zumindest teilweise auf Englisch gibt es Anleitungen von KlompeLompe, außerdem kann man auch einige fertige Stücke kaufen – wenn’s doch mal schnell gehen muss 😉

Vielleicht muss ich wirklich anfangen Anleitungen zu übersetzen, kann ja nicht sein dass nur die kleinen Nordmännchen so putzig rumlaufen.

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Nadelspieltricksereien

Anscheinend habe ich eine Art “Geheimwaffe” im Kampf mit dem Nadelspiel.

Vorweg gesagt: Ich stricke eigentlich ganz gerne auf dem Nadelspiel, nur Ärmel, die schon am Pullover dran sind, die finde ich einen Krampf. Wenn jemand einen Trick weiss, wie ich Runden stricke ohne ständig den ganzen Pulli wieder “enttötseln” zu müssen – her damit!

Jedenfalls zeige ich euch heute, wie ich meine kleinen Projekte auf dem Nadelspiel aufbaue, denn das scheine ich anders zu machen als viele andere. Zeigen möchte ich es euch anhand eines Socken der gerade auf meinen Nadeln ist:

Nadelspiel3
1. Maschen anschlagen

Nadelspiel2
2. Maschen anstricken

Nadelspiel1
3. Maschen anordnen

Nadelspiel4
4. Maschen verteilen

Maschen anschlagen

Wenn ich mit einem Bündchen anfange, beiße ich in den sauren Apfel und schlage die Maschen auf einer einzelnen Nadel an. Es wird ja oft empfohlen, dass man zwei Nadeln zusammenhalten soll, damit die ersten Maschen leicht strickbar sind. Bei mir wird aber die Kante vom Bündchen dann immer zu locker. Also schlage ich locker auf einer Nadel an, und nehme bei bestimmten Garnen einfach eine Nadel in einer Nummer größer als die mit denen ich stricken werde. Für Socken nehme ich zB eine 3,5mm Nadel.

Maschen anstricken – oder wie vermeide ich das Loch in der ersten Runde

Für rundgestrickte Projekte schlage ich immer eine Masche zuviel an. Am Ende der ersten Runde stricke ich dann die erste und die letzte Masche zusammen, und die Maschenanzahl stimmt wieder. So verschwindet das übliche Loch am Anfang und man muss es nachher nicht friemelig zusammennähen.

Maschen anordnen – oder wie vermeide ich den sichtbaren Nadelübergang

In der ersten Runde stricke ich direkt im Bündchenmuster von der größeren Nadel auf die vier kleineren Nadeln runter, zB 1 links 1 rechts. Dabei versuche ich immer die erste Masche auf der Nadel als rechte Masche zu haben, die lassen sich erfahrungsgemäß leichter stramm ziehen. Die ersten zwei Maschen jeder Nadel stricke ich ein ein bißchen fester als die restlichen, durch die Schwerkraft zieht sich das immer schön gleichmäßig. Nachher sieht es jedenfalls immer aus wie gekonnt 😉

Maschen verteilen – oder wie wechsle ich Farben mit gleicher Fadenspannung

Bei Mustern mit wechselnden Farben, zB Streifen oder auch Broken Seedstitch etc, kann es oft passieren, dass am Farbwechsel die Fadenspannung zu locker wird. Julia hatte das zum Beispiel mal beschrieben. Ich löse diese Problematik indem ich folgende Aufteilung der Maschen mache:

Für meine Socken in meiner Größe (40/41) brauche ich 64 Maschen pro Runde. Ich schlage also 65 an (s.o.).
In der ersten Runde stricke ich 20 Maschen von der größeren Nadel auf die erste Nadel des Spiels.
Dann kommen 2 Nadeln mit jeweils 16 Maschen (1/4 von 64).
Auf der vierten Nadeln können nach Adam Riese nur noch 13 Maschen landen (65-20-16-16). Die letzte davon schiebe ich auf die erste Nadel, und stricke sie mit der vierten Nadel mit der allerersten Masche zusammen (s.o.). Dann stricke ich noch 3 weitere Maschen der ersten Nadel auf die vierte.
Jetzt haben alle vier Nadeln jeweils 16 Maschen, der Rundenübergang liegt aber nicht am Nadelübergang, sondern vier Maschen davor.
Wenn ich jetzt einen Faden wechseln muss, kann ich die ersten vier Maschen der neuen Runde stramm abstricken, und gleichzeitig den alten Faden noch unter etwas Spannung halten. so wird der Farbübergang unsichtbar.

Macht ihr das auch so? Habt ihr noch andere Tricks für Nadelspiel-Nahkampf?

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2016 – die Erste

Frohes Neues!

Es ist die Zeit der Vorsätze und der Rückblicke, und auch ich kann mich nicht ganz dagegen wehren.

Die Jahresbilanz 2015

Direkt vorweg: Im Nachhinein betrachtet war 2015 ein fantastisches Jahr!

Die Soll-Seite:

Das hat sich zwischendrin echt anders angefühlt, denn auf der Soll-Seite der Bilanz haben wir die Erkenntnis, dass es in diesem Land eine Gesetzeslücke gibt, dank der sich jemand hemmungslos über jeden Anstand hinwegsetzen kann. Es ist augenscheinlich möglich, über Monate keine Miete zu bezahlen, Menschen zu bedrohen, und dabei noch vom Sozialstaat den Hintern abgewischt zu bekommen, ohne dass man irgendwelche Folgen befürchten muss.

Von Februar mit Ende Oktober war so eine Person in meinem Leben. Über die gesamte Zeit hat die Frau nicht nur – ohne Mietvertrag – die Ferienwohnung meiner Mutter besetzt, sondern sich auch noch die Nebenkosten und Internet / Telefon erschwindelt. (Man darf nichts in der Wohnung ausstellen, was zu Beginn der Besetzung vorhanden war.) Die städtischen Ämter wussten das, waren aber “machtlos”. Zitat: ” Wer jemanden aus Mitleid in eine Wohnung lässt ist halt selber Schuld”.

Die Betreuerinnen gingen davon aus dass die Frau mit einem Messer auf Menschen im Haus losgehen könnte, trotzdem – nix zu machen. Mich hat sie vor einem Raum voller Zeugen bedroht, bekommt sie aber auch nur nen erhobenen Zeigefinger und ein “Du Du” für.

Normalerweise sieht das deutsche Rechtssystem in solchen Fällen vor, dass man solche Menschen aus der Wohnung klagt, und dann Schadenersatz verlangen kann. Aber leider kann man nix holen wenn die Betrügerin den Offenbarungseid geleistet hat. Da steht man dann… um etliche Tausend Euro geprellt, vor einer völlig verwüsteten Wohnung, dem schadenfroh grinsendem Staatspersonal gegenüber.  Der Gerichtsvollzieher kannte die Dame schon von der letzten Räumung, ändert aber nix daran, dass man ohne Urteil und Gerichtsvollzieher (kosten jeweils auch) nicht mal einen Fuß in die Wohnung setzen darf.

Man würde ja denken, dass man so einem Menschen wenigstens die “Gastfreundschaft” entziehen kann, aber unsere Gastfreundschaft endet erst bei Freiheitsstrafen ab zwei Jahren. Und auch nur wenn daheim ein sicheres Herkunftsland ist. Zwei Jahre… dafür muss man halt schon ne ganze Menge anstellen.

Also: Augen auf wem ihr die Schlüssel zu euern Wohnungen gebt. Wer einmal den Schlüssel hat, der kann auch erstmal behaupten ihr hättet einen mündlichen Mietvertrag, und Beweispflicht und Gerichtskosten liegen erstmal bei euch. Danke Deutschland!

Dass bei so einer Lage kein Wohnraum für die sozial Schwachen geschaffen wird, da wunder ich mich nach diesem Jahr kein Stück mehr drüber. Es würde mich freuen, wenn sich in 2016 einer unserer Gesetzgeber mal Gedanken darüber macht.

 

Kommen wir aber zu den Dingen, die mich trotzdem zu einem positiven Jahresbilanzsaldo bringen:

Die Haben-Seite:

Hochzeiten

Vier Hochzeiten, vier Länder (und kein einziger Todesfall!!!). Leider eine Hochzeit wegen Krankheit absagen müssen (ausgerechnet die in Deutschland).  Schöne Anlässe mal wieder Freunde und Bekannte aus vergangenen Lebensabschnitten zu sehen. Für 2016 stehen erstmal noch zwei kirchliche Trauungen in Deutschland an, mal sehen ob es dabei bleibt.

Babies rundumzu

eine kleine Jule, ein Kaspar, und eine Camila. Die beiden Mädels jeweils mit Sophie/a als Zweitnamen, ich habe den Namen also zumindest noch nicht verdorben?! Für Camila muss ich noch ein Geschenk ranstricken, aber wer ahnt auch dass Süd Kalifornien dieses Jahr eine solche Kältewelle bekommt?

Kurz vor Jahresende dann noch die Ankündigung vom nächsten kleinen Strickempfänger (oder Empfängerin), in den nächsten Monaten könnten hier vermehrt Bilder für Sommerbaby-Strick auftauchen…nur so als Warnung. (Und nein, ich bin nicht an der “Herstellung” des Sommerbaby beteiligt, nur an dessen Bekleidung ;-))

Unterkunft

Das Dach über dem Kopf ist fertig – soweit man bei so etwas jemals von fertig sprechen kann. Immerhin hängen (einige) Lampen, und sogar Wanddekoration ist an Wänden festgemacht und nicht nur dagegen gelehnt wie sonst. Es sind sogar ein paar Pflanzen in der Erde, ich bin gespannt wie bald ich Nektarinen ernten kann…

Hund

Das Bretönchen hat dieses Jahr unendlich viel dazu gelernt. Nicht dass jetzt irgendwer einen gut erzogenen Hund erwartet, aber dass aus dem hyperaktiven Wuselwesen von vor 2,5 Jahren mal diese Version Bretönchen werden könnte… Ein erwachsener Hund aus dem Tierschutz ist eben doch nicht das gleiche wie ein Welpe vom Züchter. Trotzdem mein herzallerliebstes Wuselwesen!

Da wir fast jeden Tag unsere Runden durch die Rieselfelder laufen, sind wir jedenfalls in der neuen Nachbarschaft schon gut bekannt. Auch an wirklich weit entfernten Höfen werden wir winkend begrüßt (und das will in Westfalen was heißen). Damit kommen wir zum nächsten Punkt:

Gesundheit

Dass ich überhaupt noch einmal 8-10km am Stück laufen würde, das hätte vor 2 Jahren noch niemand geglaubt. Im Sommer habe ich sogar bis zu 24km hingelegt. Danach war ich zwar auch echt am Ende, aber bei den Temperaturen letztes Jahr wäre ich auch vor meinem Unfall nach so einer Strecke geschafft gewesen.

Die Physiofrequenz habe ich etwas reduzieren können, inzwischen sehen wir uns bald mehr privat als auf der Liege 😉

Und was ist mit Stricken???

Stichfest

Auch hier hat sich vieles entwickelt. Vielen Dank für die vielen Bestellungen – insbesondere die “Wiederholungstäter” werte ich als ein gutes Zeichen!

Demnächst ziehen wir um (eigentlich schon im Dezember, aber nagelt mal einen Architekten auf sowas fest), und dann gibt es endlich das größere Garnlager und auch eigene Garne in Hülle und Fülle.

Bibliothek

Zwei Shoppingtouren in Skandinavien haben meine Strickbibliothek wachsen lassen. Früher bin ich für meine “unnützen” Sprachen aus dem Norden belächelt worden, aber heute lache ich beim blättern in Büchern, die (unerklärlicherweise) nur auf “Geheimsprache” veröffentlicht werden. Da ich euch die Inspirationen aber nicht vorenthalten möchte, werde ich in Kürze versuchen euch die skandinavische Strickwelt auf eure Bildschirme zu bringen.

Gelerntes

2015 war ein mega-lehrreiches Jahr an der Stricktechnikfront für mich.

Mein allererstes FairIsle Tuch habe ich überhaupt erst im Januar ’15 abgekettet, das war auch mein erster Steek. Inzwischen kann ich Tipps und Tricks geben und sogar Anleitungen schreiben 😉

Seitdem habe ich dank Sina Doubleface stricken gelernt und ziemlich weit gebracht (Mein drittes Doubleface Projekt ist schon 1/4 fertig!!).

Meine allerersten Socken habe ich erst im Sommer überhaupt fertiggestrickt, inzwischen sind schon 8 fertig. Der Sock-tober hat da echt geholfen. Insbesondere der Bruder, der auf übertrieben großem Fuß lebt, hat sich Weihnachten sehr über mein neues Können gefreut.

Die Steigerung waren dann noch die Selbuhandschuhe (mit gemusterten Fingern!!)! Die Anleitung habe ich aus einem meiner norwegischen Bücher, bei Ravelry gibt es aber alle Anleitungen aus dem Buch auch auf Englisch.

Aber so richtig megastolz bin ich eigentlich auf meinen Adventskalender… Der war zwar weniger kompliziert als er aussieht, aber 24 von den kleinen, friemeligen Teilen zu stricken, das hat doch Beharrlichkeit und Durchhaltevermögen gebraucht – das finde ich schwerer zu meistern als eine neue Technik 😉

 

Für 2016 hoffe ich, dass es wieder eine positive Bilanz gibt. Insbesondere die Weiterentwicklung der persönlichen Fähigkeiten wie Durchhaltevermögen, aber ganz klar auch Durchsetzungskraft habe ich mir für dieses Jahr fest auf den Plan geschrieben.

Wie war denn euer 2015?

 

 

 

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Shopupdate

Stichfest Reloaded

Heute habe ich es endlich geschafft: Das All-Inclusive-Kit für den Dimasq Schal ist online (hier), und falls ihr mit einer anderen Wolle stricken wollt gibt es die Anleitung einzeln auch hier im Shop, oder hier bei Ravelry.

Ich bin in meinen Cardiff Small Schal so verliebt, ich kann es echt nur empfehlen, aber auch Como von Lamana eignet sich total gut!

Dimasqtragbar

Der Schal hat übrigens auch seinen ersten Belastungstest überstanden, er war letztes Wochenende mit mir in Oslo. 120g können so toll wärmen!

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Fairisle Trick

Entspannte Fair Isle Runden

Gehört ihr auch zu den Feststrickern? Bei mir liegt es glaub ich daran, dass ich erst häkeln gelernt habe, und immer schön die Maschen festgezurrt habe – jedenfalls muss ich beim Stricken drauf achten die Maschen locker lässig aus dem Handgelenk zu zaubern. Die Problematik potenziert sich bei den mehrfädigen Techniken dann noch um ein Vielfaches, sobald ich das Garn auch um Mittel- / Ringfinger wickle, verkrampfen sich meine Maschen wie von selbst…

Bei den rundgestrickten Dreieckstüchern (Dimasq / Thistles) hat sich die Situation merklich entspannt, sobald die Runde groß genug für 80cm Rundnadeln war. Mit Magic Loop kann ich gar kein Fair Isle stricken, wo auch immer das Kabel rausguckt verzerrt sich das Maschenbild ins Groteske. Auch von anderen habe ich schon gehört, dass kleinere Fair Isle Arbeiten wie Mützen, aber insbesondere Handschuhe, auf dem Nadelspiel aussehen als hätte das Muster eine ausgeprägte Zellulitis.

Nun ist mir letztens ein hilfreicher Trick aus Norwegen zugetragen worden…und zwar:

Auf links stricken!!!!

Nein, ich bin nicht verrückt geworden, und ich rücke auch nicht von meiner Weigerung ab Muster in linken Maschen zu stricken, nein!!! Das Geheimnis ist, das Rundgestrick auf links zu drehen, so dass die Flottierfäden außen liegen. Und zwar so:

FairIsleTrick
Das ist übrigens Handschuh #21 vom Dale Adventskalender “Julevotter”

Einfache Geometrie: Der äußere Umfang eines Kreises ist immer größer aus der innere.

Wenn die Fäden außen herum geführt werden, können sie keine “Abkürzungen” mehr nehmen, die Flotten werden quasi dazu gezwungen locker um alle neuralgischen Nadelübergänge herum zu wandern.

Haken an der Sache:

Ist eigentlich keiner. Im ersten Moment ist es etwas ungewohnt das Gestrick zwischen sich und den Nadeln zu haben, und auf einmal gegen den Uhrzeigersinn zu stricken. Aber die Maschen werden weiterhin rechts gestrickt, und sobald man ein paar Runden hinter sich hat löst sich auch der Stricknadelsalat von ganz alleine. Also reine Übungssache, und ein bisschen flexibel muss das Strickgehirn ja auch bleiben 😉

Jedenfalls habe ich diese Technik jetzt anhand von 24 kleinen Julevotter-Handschuhen ausprobiert, und filigranste Muster über 26 Maschen auf einem Nadelspiel gestrickt. Bombastisch!

Wenn ich doch diese Kur gegen Maschenzellulitis übertragen könnte…ich könnte mir ein Leben als Strickeremitin leisten 😉

 

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November Nadeln

Dimasq Monat II

Dimasqmonat2

Nachdem ich im ersten Monat des Dimasq KAL wirklich kläglich hinterher hing, habe ich im Oktober richtig Gas gegeben! Ich behaupte mal der Schal ist zu 2/3 fertig. Im Moment misst er etwa 80cm, und bisher bin ich bei Knäuel 3 & 4, ich rechne also mit Gesamtverbrauch 6 Knäuel Cardiff Small. Mein jüngster aber größter Bruder ist im Moment auf Besuch und hat das gute Stück gestern mal in die Hände bekommen…hin und weg war er! Es wurden schon Andeutungen gemacht dass er auf jeden Fall die Arbeit und Material und und und schätzen könnte, ob da jemand gerade Weihnachtsgeschenksambitionen hegt?

Im Gegensatz zu meinem Dimasq ist Julias schon fertig!!! Geschnitten hat sie Anfang der Woche bei mir zu Hause, und ich glaube sie war selbst erstaunt darüber, dass das Schneiden gar nicht so das Problem ist…die Kanten anzunähen ist beim FairIsle Dimasq wirklich eine Geduldsprüfung. Aber auch die hat Julia inzwischen bestanden und ich bin mega gespannt auf das Endergebnis.

Diese Woche habe ich (fast) meine gesamte Familie mütterlicherseits getroffen, wir waren in der Nähe von Fulda zum großen Jahrestreffen. Ich sage Fulda, weil der eigentliche Ort bei uns schon Spitznamen wie “Furunkelbach” und “Beulenstadt” hat, Eiterfeld klingt vielleicht als hätte es mir nicht gut gefallen, aber es war wirklich wirklich toll! Vor ein paar Wochen hatte ich schon eine Auswahl an Verwandten beim Geburtstag einer Cousine getroffen, und was soll ich sagen: Die Sippe sorgt für unfreiwillig nadelfreie Tage! In beiden Fällen habe ich wirklich jeweils 48 Stunden ohne Strickzeug verbracht. Leider schlägt sich das natürlich ein wenig auf mein Output aus… Bei 30 Tagen pro Monat komme ich auf 13% umgenutzte Zeit. Aber schön war’s!

Umso wichtiger, dass die übrige Zeit für wirkliche tolle Projekte aufgespart wird. Und da habe ich neben Dimasq in den letzten Wochen etwas mit hohem Nutzwert gezaubert: Selbu-Handschuhe.

Selbuhandschuhe

Das ist mein erstes Paar selbstgestrickte Handschuhe überhaupt, und es hat insgesamt nur ziemlich genau 10 Tage Zeit in Anspruch genommen, mit Fäden vernähen und und und. Das finde ich unschlagbar! Die Anleitung stammt aus dem Buch “Selbuvotten” von Terri Shea. Im Sommer habe ich ja eine Großbestellung norwegischer Strickbücher über den schwedischen Umweg mit nach Hause gebracht, und dies ist eins davon. Witzig: Beim Lesen habe ich festgestellt, dass es sich um die norwegische Übersetzung eines amerikanischen Buchs zum Thema der traditionellen Muster aus dem norwegischen Ort Selbu handelt. Das nenn ich internationale Strickliteratur!

Falls euch das Buch interessiert, die englische Version gibt es noch gebraucht bei Amazon, allerdings wohl nur in schwarz-weiß. Ansonsten gibt es alle 31 Muster auch bei Ravelry. Bücher aus Norwegen nach Deutschland zu bestellen ist kurz vor unmöglich, einer der Gründe warum ich im Dezember nochmal für ein paar Tage nach Oslo verschwinden werde.

Auch zum Thema Norwegen: Ganz im Endspurt ist mein Adventskalender von Dale, die guten Handschühchen müssen noch gedämpft werden um die Muster wirklich voll rauszubringen. Dann werde ich auch genau zeigen was ich da eigentlich gemacht habe…denn ich habe einen richtig hilfreichen Trick gefunden, der euch das FairIsle stricken vielleicht auch etwas leichter von den Nadeln gehen lässt. Seid gespannt!

Ja und abseits der Nadeln habe ich noch zwei Sachen vollbracht:

1) Es gibt bald ein eigenes Stichfest Garn! Also geben tut es das schon. Große Kisten mit unendlichen Mengen Garn stehen in meinem Flur und warten darauf vor eine Kamera ausgepackt zu werden. Mit einzelnen Knäulen experimentiere ich auch schon rum und habe kleine Herzchen in den Pupillen!

2) Man mag die deutsche Textilindustrie tot reden so lange man will, aber ich habe doch tatsächlich eine Firma hier in Westfalen gefunden, die mir aus 100% Merino das Dimasq Muster als Walkstoff herstellt!!!!!!! Das heisst ihr braucht gar nicht unbedingt selbst zu stricken um ein Doubleface Tuch mit Dimasq Muster zu bekommen. Und Walk ist ein mega geniales Material, aber dazu ein andermal mehr. Wir sind noch in der Experimentierphase, denn wie so eine Maschine ein Muster ausspuckt mussten wir erst austesten, aber ganz den Mund halten konnte ich jetzt nicht mehr, denn die erste Probe sieht auch schon richtig schön aus.

 

Hier verlinke ich wie üblich zu Marisas Linksammlung Auf den Nadeln November

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CRPS Awareness

Achtung – nicht-strick-bezogener Inhalt voraus:

Update: Ich antworte (ausführlichst) auf alle Reaktion zu diesem Beitrag, habe aber aus Datenschutzgründen entschieden die Kommentarfunktion unter diesem Beitrag zu blockieren. Wenn du betroffen bist und Fragen zum Thema hast, schick mir gerne eine eMail.

CRPS
oder warum mir manchmal alles auf die Nerven geht

Am 2. November, also heute, ist der internationale Tag der CRPS Awareness. Wem diese Buchstabenkombination so gar nichts sagt: Glück gehabt!

Mir sagt sie leider etwas, denn sie steht für eine Krankheit mit der ich seit einem Unfall vor drei Jahren Bekanntschaft machen musste: Das Complex Regional Pain Syndrome – in Deutschland bekannter als Morbus Sudeck.

crps
Leider weiß ich nicht mehr wo ich diesen Screenshot gemacht habe…

 

 

Hier öffentlich darüber zu schreiben, dass ich von dieser Krankheit betroffen bin, habe ich mir lange überlegt. Da es sich bei CRPS um eine meist chronische Krankheit handelt, könnte es natürlich sein, dass mir irgendwann Nachteile durch diesen Blogbeitrag entstehen. Andererseits habe ich so viel Glück gehabt, dass ich im Zweifel auch einigen anderen Betroffenen mit diesem Bericht Mut machen möchte. Die Diagnose ist ein wirklicher Alptraum, und wer im Internet darüber recherchiert bekommt bisher quasi alle Hoffnung genommen. Diese Lücke möchte ich gerne schließen.

 

 

 

Die Story

Im Juli vor drei Jahren habe ich mir total doof den linken Fuß gebrochen. Und zwar habe ich in einer U-Bahn einen Kreislaufkollaps gehabt. Die Hitze an diesem Tag war einfach zu viel für mich. Mein Fuß hat in den hohen Sandalen leider den Kürzeren gezogen, und mehrere Mittelfußknochen sind gebrochen.

Durch eine unglückliche Verkettung von Umständen bin ich erst nach 5 Tagen operiert worden, war bis dahin aber auch problemlos mit Ibu über den Tag gekommen, und hatte Hoffnung nach 6 Wochen Zwangspause weiterzumachen wie vorher. Ein gebrochener Fuß…das hat ja schon vor mir der ein oder andere überstanden.

Doch nach der OP war es anders: Noch im Aufwachraum habe ich vor Schmerzen geschrieen, Ibu brachte keinerlei Linderung mehr, die Schwestern konnten mir gar nicht genug Kühlpacks bringen. Und das obwohl die OP gut verlaufen war. Ich wurde aus dem Krankenhaus entlassen, habe unter ambulanter Betreuung mit der Physio begonnen, weiterhin Ibu gefuttert, aber die planmäßigen Heilungsschritte kamen und kamen nicht. Nach den angekündigten sechs Wochen war an normales Laufen nicht zu denken, ich konnte nicht einmal mit dem Fuß den Boden berühren ohne vor Schmerzen fast in Ohnmacht zu fallen. Aber mein Arzt vermutete Heilungsverzögerung wegen der sommerlichen Bruthitze und verlängerte die Krankschreibung immer wieder.

 

Irgendwann hat meine Mutter mich – gegen meinen Willen – aus meiner Berliner Wohnung geschleppt und mich nach Münster gebracht. Hier habe ich nach einem Orthopäden gegoogelt, und Nummer 1-3 der Liste waren für Kassenpatienten leider erst Wochen später wieder frei. Aber die Nummer 4 bot mir einen Termin am selben Tag an. Und mit dieser Nummer 4 habe ich wahrscheinlich den größten Glücksgriff meines Lebens getan.

 

roentgenEs wurde ein Röntgenbild gemacht, und der Doktor sagte nur: “Entweder hat man mir ein besseres Röntgengerät geliefert als ich bezahlt habe, oder Ihr Knochen heilt nicht richtig. Sie machen mal ein MRT.” Auf die Überweisung schrieb er handschriftlich “Sudeck?”. Noch unbedarft habe ich geglaubt ein Dr Sudeck sollte bitte das MRT machen und habe nicht gegoogelt. Zum Glück.

Die Diagnose wurde durchs MRT erhärtet. CT das gleiche. Mein Arzt hat mich durch halb Münster von Fachmann zu Fachmann geschickt, und überall wurde sein Verdacht bestätigt. (Dass CRPS einen Menschen Mitte 20 erwischt ist sehr sehr selten.) Mit jeder Untersuchung wurden mir mehr und mehr Horrorszenarien gezeichnet, nur mein eigentlicher Orthopäde blieb eiskalt ruhig. Zum Glück.

CRPS ist ein extrem komplexes Krankheitsbild, das bis heute so gut wie gar nicht verstanden wird. Aus irgendeinem Grund werden Nerven nach einer Verletzung so in Aufregung versetzt, dass das Immunsystem den betroffenen Körperteil abstoßen möchte. Die Durchblutung wird gestört, dadurch fehlen Nährstoffe, und die Knochen im verletzten Areal entkalken, sie werden hohl. Mein Orthopäde hat das bereits im Anfangsstadium richtig gedeutet; die meisten Patienten werden monatelang nicht diagnostiziert, und werden für Simulanten gehalten. Aber glaubt mir…die Krankheit ist leider nur allzu real.

Mcgill
Auch Screenshot ohne Quelle

Anstelle einer monatelangen Odyssee konnte ich noch rechtzeitig in die Behandlung eines Schmerztherapeuten überwiesen werden, denn das P in CRPS steht für Pain, Schmerz. Nicht irgendein Schmerz, sondern Nervenschmerz (denkt an Zahnweh x 1000), und das dauerhaft. Laut dem McGill Schmerzindex sind CRPS Schmerzen schlimmer als eine natürliche Geburt. Das kann ich nicht vergleichen, aber es klingt realistisch.

Dank zweijähriger Therapie mit hoch dosierten Betäubungsmitteln, konstanter Physiotherapie (meine Physio hat mich zeitweilig häufiger gesehen als sonst irgendwer), Ostheopathie und einer abwechslungsreichen Beschäftigung mit Belohnungsfaktor (stricken), und Zukunftsplänen (Stichfest.net), habe ich die Krankheit anscheinend besiegt. Ganz sicher kann man das nicht sagen, weil das nicht so häufig vorkommt. Aber seit über einem Jahr nehme ich keine Medikamente mehr, meine Physio und ich treffen uns nur noch alle 7-10 Tage, und meistens laufe ich ganz ohne sichtbar zu humpeln.

 

Ich kann nicht behaupten immer komplett schmerzfrei zu sein, und manchmal brauche ich noch Unterstützung von Ibu. An schlechten Tagen kann ich sehr schlecht gelaunt sein – meine Nerven liegen wortwörtlich blank, aber ich kann selbst an solchen Tagen aufstehen und gehen, und das ist unerhört viel wert. Das Tagesziel ist jeden Tag 10.000 Schritte mit meinem Hund zu laufen, und meistens schaffe ich das ohne Probleme. Fahrrad fahren ist noch riskant, einen Marathon sehe ich auch nicht in meiner Zukunft, und wenn ich noch einmal hohe Schuhe anziehe droht mein Orthopäde mir mit einem Kopfschuss, aber damit kann ich leben. Vorsichtshalber soll ich “nervlichen Belastungen” aus dem Weg gehen, aber zum Teil kommen die ohne dass ich etwas dagegen tun kann (Stichwort: Mietbetrügerin mit Gewaltpotential).

Man liest ja immer wieder so schlaue Sprüche “Du weißt nicht welchen Kampf dein Gegenüber gerade kämpft, also maße dir nicht an ihn zu bewerten”. Phrasen, aber für Menschen mit einem Schmerzsyndrom nur allzu wichtig. Die Krankheit ist “unsichtbar”, die extremen Schmerzen kann sich ein gesunder Mensch nicht vorstellen, die Nebenwirkungen der Medikamente auch nicht. Dazu die immer wieder negativen Szenarien von “Fachleuten”, ständige Unterstellungen eigentlich nur nicht ins Büro / in die Schule oder Uni zu wollen. Mir haben wildfremde Menschen unterstellt eine “labile Persönlichkeit” zu sein, “sonst bekommt man sowas nicht”.

Dass ich wieder bis morgens um 5 auf Hochzeiten am anderen Ende der Welt tanzen kann, das deute ich eher genau ins Gegenteil: Ich habe mich nicht kleinkriegen lassen. Ja, vielleicht sind viele Patienten zum Zeitpunkt der Diagnose suizidgefährdet und psychisch instabil, aber wie oben beschrieben: Die meisten Betroffenen irren monatelang unter wahnsinnigen Schmerzen von einem Arzt zum anderen und werden für bekloppt erklärt. Dann ist es vielleicht ja nicht die labile Psyche, die die Krankheit hervorruft, sondern vielleicht ist die Krankheit (und wenig hilfreiche Ärzte) Grund für eine labile Psyche?

Und gerade weil das Internet voll von Horrorszenarien von Ausbreitung bis hin zu Amputation und lebenslanger Invalidität ist, soll dieser Text eben genau das Gegenteil sein. Nur weil CRPS nicht erforscht ist, man die Ursachen und Zusammenhänge nicht kennt, ist das noch kein besiegeltes Schicksal. Dafür bin ich der zufrieden lebende Beweis.

Falls ihr betroffen seid hoffe ich, dass dieser Bericht euch ein wenig Mut gibt. Bei Bedarf gebe ich gerne die Namen meiner behandelnden Super-Ärzte weiter. Aber zuerst ein ganz ernst gemeinter Tipp (vermutlich auch bei anderen langwierigen Krankheiten mit eingeschränkter Mobilität): Probier ein Hobby, das dir das Gefühl vermittelt etwas geschafft zu haben. Für mich ist es das Stricken, aber vielleicht bist du ein passionierter Modellbauer… was auch immer es ist, mach etwas, wobei du Fortschritte beobachten kannst während deine Heilungsfortschritte noch nicht der Rede wert sind. Etwas worüber du reden kannst, wenn du heulen könntest wenn dich jemand nach deinem Befinden fragt. Das Leben geht weiter…auch wenn es humpelt…

humpel

Ich wünsche euch allen einen gesunden Start in den November!