oder: stehst du auf den Schlauch?
Gehörst du zur Gattung der Sockenstricker/innen? So wie ich?
Für mich gibt es ja genau zwei Möglichkeiten an Fußbekleidung: Wollsocken, oder nix. Im Sommer bin ich grundsätzlich barfuß, in Sandalen oder diesen genialen Espadrilles von Havaianas mit der ultrabequemen FlipFlop Sohle.
Jedes Jahr zum Ende des Sommers gibt es dann die Zeit in der ich stur bin und weiter so tue als würde der Winter dieses Jahr ausfallen. Und direkt sobald ich einknicke kommen die Wollsocken.
Und dann trage ich sie durch bis es endlich wieder Zeit für nackerte Füße ist.
Bei meinen mindestens 10.000 Schritten pro Tag kommen dann bei gefühlten 300 Wintertagen (ich weiß der Sommer war lang, aber jetzt kommt mir der Winter schon so ewig vor) die ein oder anderen Kilometer in meinen gestrickten Socken zusammen. Und so kommen bei mir Löcher in die Teile, als hätte ich rezessives Erbgut einer Motte abbekommen 🙁
So schnell wie ich die Socken durch habe kann ich gar nicht für Nachschub sorgen. Dachte ich.
Kann ich nämlich doch. Fast wie eine Sockenstrickmaschine.
Und zwar habe ich Ende 2018 wirklich nach einer Sockenstrickmaschine gesucht. Bin dann hinten über gefallen was die Preise angeht, und habe beschlossen dass das nix wird, denn die Dinger sind wahnsinnig teuer. Und brauchen Platz. Und das kurbeln dauert auch seine Zeit. Und es bindet einen an einen Ort. Dabei sind Socken doch mein Lieblings-Unterwegsprojekt.
Auftritt: Schlauch
Im Endeffekt strickt so eine Sockenstrickmaschine ja erstmal nur einen Schlauch. In der Grundausstattung strickt man dann per Hand Spitzen, Ferse und Bündchen dran. Man kann auch Zubehör kaufen und mit Erfahrung und Geduld kann man auch wohl eine ganze Socke stricken, aber ich habe weder Erfahrung noch Geduld, außerdem keine Strickmaschine.
Aber nen Schlauch kann ich stricken. Und das sogar unterwegs.
Das habe ich mir selbst bewiesen, und habe bei einer Wochenendreise nach Lissabon einfach anstelle von “richtigem” Strickzeug ein Sockenwunder und ein Knäuel Sockenwolle mitgenommen. Und dann zwei turbulente Flüge, einige Bahnfahrten, im Hotel, auf Hafenmauern, im Café damit verbracht 100g Sockenwolle in einen langen, glatt rechten Schlauch zu stricken. Stumpf? Ja! Optimal für Schönwetter-Urlaub zu zweit. Beim Sockenschlauch kann man Stadt erleben, plaudern, laufen, Film gucken, Kaffee trinken, die Aussicht genießen und auf einmal ist der Schlauch fertig. Zack. Nenn mich Strickmaschine. (Dann hatte ich zum Glück noch Wolle für ein zweites Mini-Projekt, denn der Kurztrip dauerte deutlich länger als die Sockenschlange)
Eine Schwalbe macht keinen Sommer
und ein Schlauch ist keine Fußbekleidung.
Aber siehe da: 100g 4-fädiges Garn ergeben eine Schlauch, der genau lang genug ist um daraus 4 (in Worten: vier!!!) Socken in Größe 40/41 zu machen. Zwei komplette Paar! Mit ganz schön langem Schaft!
Man muss nur (:-)) den Schlauch vierteln, Löcher für Fersen, und aus Sockenwollresten Füllungen für Fersenlöcher, Bündchen und Spitzen machen.
Wollreste habe ich noch und nöcher. So viele, und in so vielen Farben, ich könnte passende Kontraste zu jedem noch so verrückten Schlauch machen.
Meinen portugiesischen Schlauch habe ich aus einem Strang KnitPicks Stroll im Farbverlauf “Northern Lights” gestrickt. Sehr pastelliges türkis mit lila und blau und etwas grün. Eins dieser Garne, das mich im Strang immer wieder anlacht und dann für fast alles zu bunt ist. Außer für glatt rechte Socken. Aber wann stricke ich schon mal glatt rechte Socken in einer Farbe? In Lissabon. Mit Aussicht.
Im Flugzeug fragte mein Sitznachbar noch ob ich so eine Zugschlange für vor die Tür stricken würde… eigentlich auch ne Idee, aber mein Bedarf an Socken ist größer.
Willst du auch Socken stricken können wie eine Maschine?
Dann brauchst du:
Unterwegs:
ein Knäuel Sockenwolle – für die Zukunft werde ich für meine Größe nur noch 50g Knäuel wie Sisu, Mérida oder die kleinen Regias nehmen. Das reicht dann für ein Paar, man strickt nicht so lange und muss nur einmal teilen.
ein Sockenwunder – zum stumpf im Kreis stricken kann ich es echt nur empfehlen. Man kann natürlich auch mit dem Nadelspiel, Crasy Trio oder Magic Loop stricken, aber das wird halt eine ewige Schieberei.
Daheim:
Mind. eine extra Nadel in gleicher Stärke zum Maschen aufheben – ich empfehle zwei lange Rundstricknadeln mit spitzesten Spitzen, zB. mit den spitze HiyaHiya Ultimate Sockset Spitzen.
Sockenwollreste in passenden Kontrastfarben – für die vier Socken habe ich insgesamt etwa 20g gebraucht.
Vernähnadel
Unterwegs:
Schritt 1:
Schlag’ mit einem provisorischen Anschlag deine gewünschte Maschenzahl an und stricke einen Schlauch bis dir das Garn ausgeht. Leg’ die letzte Runde entweder auf einer Nadel oder einem Faden still. Schlange fertig.
Ab Schritt 2 empfehle ich nicht mehr unterwegs zu sein.
Schritt 2:
Teile die Schlange in 2 Teile.
Dafür musst du ins Gestrick schneiden. Aber nicht wie beim Steeken, sondern nur ein einzelner Schnipp durch ein Maschenglied.
Dann ribbelst du vom Schnitt eine halbe Runde nach links, und eine halbe Runde nach rechts (wichtig! Du brauchst auf beiden Seiten den angeribbelten Faden später zum vernähen, also bitte nicht komplett schneiden oder nur in eine Richtung ziehen).
Je nachdem wie es dir lieber ist, kannst du die Maschen aus der Runde obendrüber und der untendrunter vorher oder nachher jeweils auf eine Nadel nehmen, ich mache das gerne vorher, daher brauche ich zwei Rundstricknadeln mit spitzesten Spitzen – spitze ist das HiyaHiya Ultimate Sock Spitzen Set, s.o. ;-).
Schritt 3:
Such dir passendes Kontrastgarn raus, und stricke eine Spitze unten an die Schlauchhälfte, die oben den provisorischen Anschlag hat. Leg diesen Teil zur Seite.
Schritt 4:
Nimm die andere Schlauchhälfte und stricke mit der noch steckenden Nadel ein Bündchen in Kontrastfarbe. Dass ich gerne mit dem Tubular Bind-off abkette habe ich schonmal gezeigt.
Nur bei 100g Schläuchen: Schritt 5:
Halbiere jetzt die Schlauchhälfte wieder wie oben, stricke eine Spitze an den Teil mit Bündchen, und ein Bündchen an den anderen Teil. Wiederhole diesen Schritt für die andere Schlauchhälfte.
Schritt 6:
Löse den provisorischen Anschlag und stricke wieder ein Bündchen, stricke eine Spitze an die stillgelegten Maschen vom Schlangenende. Jetzt sollten alle Sockenteile eine Spitze und ein Bündchen haben.
Schritt 7:
Leg die Socke so hin, dass die Spitze genau flach liegt.
Miss ab, wo die Ferse hingehört. (In meinen Sockenanleitungen gibt es die Maße für Nachtragsfersen in allen Größen von 28-48.)
Markiere die Hälfte der Maschen, die für die Ferse gebraucht werden. Stelle sicher, dass du genau die Maschen erwischt, die weiter unten die Spitze bilden!
Schneide wieder durch ein Maschenglied relativ mittig, ribbel nach links und nach rechts, jeweils bis zur Markierung am Rand.
Nimm die Maschen rund ums Loch auf, und strick eine Nachtragsferse rein. Dafür gibt es im Internet viele Varianten, ich erkläre “meine” Art in meinen Sockenanleitungen.
Vernähe die Fäden.
ZACK FERTIG!
Nachteile dieser Methode:
Zack fertig ist etwas übertrieben. Die letzten Schritte sind nix für Memmen und/oder Anfänger. Für meinen 100g Schlauch habe ich einen Stricktag nur für die letzten Schritte gebraucht, und das war halt nicht unbedingt sozialtaugliches Stricken.
Vorteile:
Der Schlauch war umso sozialtauglicher. In der Zeit, in der ich Schlauch gestrickt habe, hätte ich nix anderes gestrickt, von daher hat kein “echtes” Projekt gelitten. Ich rechne das also als quasi komplett zusätzliches Projekt, zwei Paar Socken, die ich ohne diese Methode niemals geschafft hätte. Mein innerer Optimierer ist dazu außer sich vor Freude, dass genau nullkommanull Rest vom bunten Verlaufsgarn geblieben ist. Denn wo hätte ich den schön verstricken können? Stattdessen habe ich noch ein paar Kleinstmengen verbraucht. CheckCheckCheckundDoppelCheck!
Übrigens bieten ja inzwischen viele Handfärber kleine Socksets an, 100g einer Hauptfarbe, und einen Ministrang mit passendem Kontast. Mit dieser Wannabe-Strickmaschinen-Methode könnte man noch wirklich den letzten Meter optimal verstricken…bei mir wandern jetzt nach und nach die “nur für glatt rechts geeignet”en bunten Sockenwollen in die Handtasche, und mit der Schlauchmethode habe ich zu Weihnachten genug Socken für mich, Familie, Freunde und die halbe Nachbarschaft… zumindest wenn mich das ganze Jahr jeder Termin etwa 5min versetzt 🙂